Michela Marzano: Philosophie des Körpers, Diederichs
Verlag, München 2013, ISBN 978-3-424-35080-7, 142 Seiten, 14.99 Euro.
„Schönheitsoperationen,
Geschlechtsumwandlungen und Gesichtstransplantationen – der Körper des modernen
Menschen ist ein Spielplatz seines Willens. Wir tunen, verändern und optimieren
unseren Leib fast nach Belieben …“ Jawohl, unsere Körper sind zum Schlachtfeld
des zeitgenössischen Menschen geworden. Jawohl, wir sind gezwungen, ein
Verhältnis zu unserem Körper zu finden und auch zu bestimmen. In der
naturistischen Bewegung gibt es sicher noch einen großen Nachholbedarf, wenn
man zur Kenntnis nimmt, dass Diskussionen zu Piercings und Tattoos immer noch
mit großem Engagement geführt werden.
Umso wichtiger erscheint es, sich
beispielsweise mit der „Philosophie des Körpers“ der Italienerin Michela
Marzano zu beschäftigen. Natürlich ist Marzanos „Philosophie des Körpers“ eine
ausgesprochen anspruchsvolle Lektüre. Marzanos „Philosophie des Körpers“ gibt
aber die Gelegenheit, sich einmal grundsätzlich mit dem Körper, dem eigenen
Körperverständnis und der Beziehung zu seinem Körper auseinanderzusetzen. Sie
beschäftigt sich nicht ausdrücklich mit der Freikörperkultur und den Begriffen
des Naturismus.
Inhaltlich bringt die „Philosophie des
Körpers“ einiges zur Sprache. Sie sieht den „Körper zwischen Natur und Kultur“.
Die „Philosophie des Körpers“ spannt den Borgen „vom Monismus zur
Phänomenologie“. Die „Philosophie des Körpers“ sinniert über den „Dualismus und
seine Etappen“. Es geht um die „Reduktion des Menschen auf seinen Körper“ sowie
die „Auslöschung der Identität“. Die Bandbreite ist groß, mit der sich der
nachdenkliche Naturist beschäftigen darf.
Marzano zeigt philosophiehistorisch auf, wie
die großen Denker den Körper gedacht und erlebt haben. Sie zeigt auf, wie sich
die Sicht auf den Körper verändert hat
mit anderen gesellschaftlichen Fortschritten. Wenn Marzano das „Ich als
Skulptur“ beschreibt, wird der nachdenkliche Naturist jedoch aufmerksam. Sie
schreibt: „Die französische Künstlerin (gemeint ist die Bio-Künstlerin Orlan,
der Rezensent) ist auf der Suche nach einem Körper, der ihr erlaubt, die
Distanz zwischen dem Sein und dem Schein zu überwinden.“ (34)
Ist der gewöhnliche Naturist gleichfalls auf
diesem Wege ? Wenn man die Freikörperkultur als Überwindung gesellschaftlicher
Unterschiede versteht, wo das Sie zum Du wird, dann gibt das Buch „Philosophie
des Körpers“ zahlreiche Anlässe zu einem Weiterdenken. Bleiben wir bei Orlan,
über deren Haltung an einer anderen Stelle Marzano schreibt: „Das Individuum
hat sowohl das Recht als auch die Möglichkeit, das, was es ist, nicht dem
Zufall zu überlassen.“ (38) Der Aufschrei der organisierten FKK-Bewegung muss
unüberhörbar sein, wenn man solche Sätze liest.
Leider gibt es jedoch eine Stille in der
FKK-Bewegung, die es versäumt, entlang dieses Denkens die eigenen Haltungen vom
Leben in Harmonie mit der Natur einmal zu überdenken und anzupassen. Vergleichbares
gilt, wenn man liest: „Wenn wir laufen, essen oder Lust empfinden, empfinden
wir uns eins mit dem Körper, denn wir sind ja der Körper … Und doch leben wir
manchmal, als wäre unser Körper nichts als ein physisches Objekt wie die
anderen Objekte in unserer Umgebung … Nah und fern zugleich eröffnet der Körper
jedem Menschen die Erfahrung tiefster Intimität und radikalen Andersseins
zugleich.“ (56)
Die „Philosophie des Körpers“ von Michela
Marzano muss unter den Naturisten Ermutigung genug sein, das Verhältnis zu sich
und zu seinem Körper zu reflektieren. Wenn die Naturisten in der Gegenwart
ernstgenommen werden wollen, müssen sie sich der Herausforderung einer solchen
Veröffentlichung stellen. So bliebe die Freikörperkultur auch ernstzunehmen ….
CM
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