Donnerstag, 23. Mai 2013

Philosophie des Körpers

Michela Marzano: Philosophie des Körpers, Diederichs Verlag, München 2013, ISBN 978-3-424-35080-7, 142 Seiten, 14.99 Euro.

„Schönheitsoperationen, Geschlechtsumwandlungen und Gesichtstransplantationen – der Körper des modernen Menschen ist ein Spielplatz seines Willens. Wir tunen, verändern und optimieren unseren Leib fast nach Belieben …“ Jawohl, unsere Körper sind zum Schlachtfeld des zeitgenössischen Menschen geworden. Jawohl, wir sind gezwungen, ein Verhältnis zu unserem Körper zu finden und auch zu bestimmen. In der naturistischen Bewegung gibt es sicher noch einen großen Nachholbedarf, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass Diskussionen zu Piercings und Tattoos immer noch mit großem Engagement geführt werden.
Umso wichtiger erscheint es, sich beispielsweise mit der „Philosophie des Körpers“ der Italienerin Michela Marzano zu beschäftigen. Natürlich ist Marzanos „Philosophie des Körpers“ eine ausgesprochen anspruchsvolle Lektüre. Marzanos „Philosophie des Körpers“ gibt aber die Gelegenheit, sich einmal grundsätzlich mit dem Körper, dem eigenen Körperverständnis und der Beziehung zu seinem Körper auseinanderzusetzen. Sie beschäftigt sich nicht ausdrücklich mit der Freikörperkultur und den Begriffen des Naturismus.

Inhaltlich bringt die „Philosophie des Körpers“ einiges zur Sprache. Sie sieht den „Körper zwischen Natur und Kultur“. Die „Philosophie des Körpers“ spannt den Borgen „vom Monismus zur Phänomenologie“. Die „Philosophie des Körpers“ sinniert über den „Dualismus und seine Etappen“. Es geht um die „Reduktion des Menschen auf seinen Körper“ sowie die „Auslöschung der Identität“. Die Bandbreite ist groß, mit der sich der nachdenkliche Naturist beschäftigen darf.

Marzano zeigt philosophiehistorisch auf, wie die großen Denker den Körper gedacht und erlebt haben. Sie zeigt auf, wie sich die Sicht auf den Körper verändert  hat mit anderen gesellschaftlichen Fortschritten. Wenn Marzano das „Ich als Skulptur“ beschreibt, wird der nachdenkliche Naturist jedoch aufmerksam. Sie schreibt: „Die französische Künstlerin (gemeint ist die Bio-Künstlerin Orlan, der Rezensent) ist auf der Suche nach einem Körper, der ihr erlaubt, die Distanz zwischen dem Sein und dem Schein zu überwinden.“ (34)
Ist der gewöhnliche Naturist gleichfalls auf diesem Wege ? Wenn man die Freikörperkultur als Überwindung gesellschaftlicher Unterschiede versteht, wo das Sie zum Du wird, dann gibt das Buch „Philosophie des Körpers“ zahlreiche Anlässe zu einem Weiterdenken. Bleiben wir bei Orlan, über deren Haltung an einer anderen Stelle Marzano schreibt: „Das Individuum hat sowohl das Recht als auch die Möglichkeit, das, was es ist, nicht dem Zufall zu überlassen.“ (38) Der Aufschrei der organisierten FKK-Bewegung muss unüberhörbar sein, wenn man solche Sätze liest.

Leider gibt es jedoch eine Stille in der FKK-Bewegung, die es versäumt, entlang dieses Denkens die eigenen Haltungen vom Leben in Harmonie mit der Natur einmal zu überdenken und anzupassen. Vergleichbares gilt, wenn man liest: „Wenn wir laufen, essen oder Lust empfinden, empfinden wir uns eins mit dem Körper, denn wir sind ja der Körper … Und doch leben wir manchmal, als wäre unser Körper nichts als ein physisches Objekt wie die anderen Objekte in unserer Umgebung … Nah und fern zugleich eröffnet der Körper jedem Menschen die Erfahrung tiefster Intimität und radikalen Andersseins zugleich.“ (56)

Die „Philosophie des Körpers“ von Michela Marzano muss unter den Naturisten Ermutigung genug sein, das Verhältnis zu sich und zu seinem Körper zu reflektieren. Wenn die Naturisten in der Gegenwart ernstgenommen werden wollen, müssen sie sich der Herausforderung einer solchen Veröffentlichung stellen. So bliebe die Freikörperkultur auch ernstzunehmen ….


CM

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