Dienstag, 6. November 2012

Eine neues Buch über die Nacktheit...





Volkmar Ellmauthaler: Nackt. Das Buch – 24 Versuche über das Natürliche – Wien: editionL 2012.  ISBN 978-3-902245-07-6. 444 S.

Was macht die Faszination des Nacktseins aus? Auf dem Buch-umschlag wird schon ein Bogen gespannt: „Sich nicht bedeckt zu halten, bedeutet ja Befreiung von Scham und Wut; Beziehung auf Augenhöhe, Wertschätzung, Selbstachtung, Genuss, …“. Mit diesem Selbstverständnis ist das ganze Buch des gelernten Philosophen und Psychologen Volkmar Ellmauthaler geschrieben, der mit seinem Buch „Nackt“ vor allem ein überzeugendes Plädoyer für die Freikörper-kultur vorlegen wollte. Es ist ihm auch gelungen.
Dicht schreibt Volkmar Ellmauthaler auf den 444 Seiten des Buches „Nackt“. Der neugierige Leser muss schon eine große Offenheit ha-ben, sich mit Theologie und Philosophie, Psychologie und Krimino-logie auseinanderzusetzen. Was der Leser entdeckt, ist eine tiefgrün-dige Auseinandersetzung mit der Freude am Nacktsein. Grosse Freude macht es zum Beispiel, wenn Ellmauthaler den Leser im dialektischen Denken willkommen heißt. Eine Seltenheit für den Bildungsbürger, der seine Lebensweise intellektuell zu begründen mag.
Es deutet sich auf der lebenspraktischen Ebene an, ob das Nachdenken über das Nacktsein genauso gesellschaftlich missliebig erscheint wie das Nacktsein an sich. Ellmauthaler setzt sich darüber hinweg und versucht eher inhaltliche statt emotionale Antworten zu geben – getreu dem Motto: „Ich bin nackt – und das ist gut so.“ Über vieles, was Ellmauthaler schreibt, lässt sich trefflich diskutieren. Seine Posi-tionierung erscheint mehr als klar, wenn er schreibt: „Grundsätzlich scheint es so zu sein, dass die zwängliche Bedeckung von Körpern bei gleichzeitiger Unterstellung unkontrollierter tierischer Sexualität einen Akt tiefenpsychologischer Verdrängung diesbezüglicher Ängste dar-stellen könnte …“.

Überzeugend erscheinen deshalb auch die Fotografien, die sich immer wieder in dem Buch „Nackt“ finden. Sie sprechen für eine Natür-lichkeit, wenn eine junge Frau nackt auf ein Pferd steigt oder ein Pärchen nackt am Frühstückstisch hockt. Ungezwungenheit prägen diese Bilder, die einfach aus dem Alltag genommen erscheinen. So kann man ohne Probleme betonen, dass sowohl in der visuellen, aber auch in der schreiberischen Darstellung das Buch „Nackt“ ein Gewinn ist. Allzu gerne liest man Sätze wie: „Eine ungezwungen gelebte Nacktheit kann … die Grundvoraussetzung für eine unkomplizierte, eben nicht in Ohnmachtsphantasien steckenbleibende Erziehung  zu einer dem Alter adäquate Sexualität werden …“.
Was die Lektüre zwar beschwerlicher, aber auch erkenntnisreicher macht, ist das Kapitel über Sexualstraftäter. Ellmauthaler weist auf eine Lücke hin, die es in der Freikörperkultur zu geben scheint. Diese lässt er wohl auch bewusst offen, wenn er schreibt: „Ein Mensch braucht ethische Normen, im Detail auch Moral, jedoch nicht im Sin-ne der Manichäer unter uns, die am liebsten ihre Welt in Gut und Böse teilen – weil das so einfach ist, weil man dann rasch urteilen und sich selbst über die Dinge erheben kann. Nein: Das Mehr, das wir Menschen brauchen, ist Akzeptanz, Zuneigung, Empathie – im Sinne einer nicht enden wollenden Behutsamkeit und Klarheit gegenüber allem, was ist.“
Einer solchen Klarheit sollte sich die FKK-Bewegung auch stellen, indem Ellmauthaler als tiefgründiger Autor, der seriös das Nacktsein zu erklären versucht, in gute Gesellschaft kommt und nicht mehr ein einsamer Rufer bleibt. Ein eindrucksvolles Buch.
Christoph Müller (11/2012)

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