Volkmar Ellmauthaler: Nackt. Das Buch – 24 Versuche über das Natürliche
– Wien: editionL 2012.
ISBN 978-3-902245-07-6. 444 S.
Was macht die Faszination des
Nacktseins aus? Auf dem Buch-umschlag wird schon ein Bogen gespannt: „Sich
nicht bedeckt zu halten, bedeutet ja Befreiung von Scham und Wut; Beziehung auf
Augenhöhe, Wertschätzung, Selbstachtung, Genuss, …“. Mit diesem
Selbstverständnis ist das ganze Buch des gelernten Philosophen und Psychologen
Volkmar Ellmauthaler geschrieben, der mit seinem Buch „Nackt“ vor allem ein
überzeugendes Plädoyer für die Freikörper-kultur vorlegen wollte. Es ist ihm
auch gelungen.
Dicht schreibt Volkmar
Ellmauthaler auf den 444 Seiten des Buches „Nackt“. Der neugierige Leser muss
schon eine große Offenheit ha-ben, sich mit Theologie und Philosophie,
Psychologie und Krimino-logie auseinanderzusetzen. Was der Leser entdeckt, ist
eine tiefgrün-dige Auseinandersetzung mit der Freude am Nacktsein. Grosse Freude
macht es zum Beispiel, wenn Ellmauthaler den Leser im dialektischen Denken
willkommen heißt. Eine Seltenheit für den Bildungsbürger, der seine Lebensweise
intellektuell zu begründen mag.
Es deutet sich auf der
lebenspraktischen Ebene an, ob das Nachdenken über das Nacktsein genauso
gesellschaftlich missliebig erscheint wie das Nacktsein an sich. Ellmauthaler
setzt sich darüber hinweg und versucht eher inhaltliche statt emotionale
Antworten zu geben – getreu dem Motto: „Ich bin nackt – und das ist gut so.“
Über vieles, was Ellmauthaler schreibt, lässt sich trefflich diskutieren. Seine
Posi-tionierung erscheint mehr als klar, wenn er schreibt: „Grundsätzlich
scheint es so zu sein, dass die zwängliche Bedeckung von Körpern bei
gleichzeitiger Unterstellung unkontrollierter tierischer Sexualität einen Akt
tiefenpsychologischer Verdrängung diesbezüglicher Ängste dar-stellen könnte …“.
Überzeugend erscheinen deshalb
auch die Fotografien, die sich immer wieder in dem Buch „Nackt“ finden. Sie
sprechen für eine Natür-lichkeit, wenn eine junge Frau nackt auf ein Pferd
steigt oder ein Pärchen nackt am Frühstückstisch hockt. Ungezwungenheit prägen
diese Bilder, die einfach aus dem Alltag genommen erscheinen. So kann man ohne
Probleme betonen, dass sowohl in der visuellen, aber auch in der
schreiberischen Darstellung das Buch „Nackt“ ein Gewinn ist. Allzu gerne liest
man Sätze wie: „Eine ungezwungen gelebte Nacktheit kann … die
Grundvoraussetzung für eine unkomplizierte, eben nicht in Ohnmachtsphantasien
steckenbleibende Erziehung zu einer dem
Alter adäquate Sexualität werden …“.
Was die Lektüre zwar
beschwerlicher, aber auch erkenntnisreicher macht, ist das Kapitel über
Sexualstraftäter. Ellmauthaler weist auf eine Lücke hin, die es in der
Freikörperkultur zu geben scheint. Diese lässt er wohl auch bewusst offen, wenn
er schreibt: „Ein Mensch braucht ethische Normen, im Detail auch Moral, jedoch
nicht im Sin-ne der Manichäer unter uns, die am liebsten ihre Welt in Gut und
Böse teilen – weil das so einfach ist, weil man dann rasch urteilen und sich
selbst über die Dinge erheben kann. Nein: Das Mehr, das wir Menschen brauchen,
ist Akzeptanz, Zuneigung, Empathie – im Sinne einer nicht enden wollenden
Behutsamkeit und Klarheit gegenüber allem, was ist.“
Einer solchen Klarheit sollte
sich die FKK-Bewegung auch stellen, indem Ellmauthaler als tiefgründiger Autor,
der seriös das Nacktsein zu erklären versucht, in gute Gesellschaft kommt und
nicht mehr ein einsamer Rufer bleibt. Ein eindrucksvolles Buch.
Christoph Müller (11/2012)
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