Sabine Fellner / Stella Rollig / Elisabeth Nowak-Thaller
(Hrsg.): Der nackte Mann , Verlag für moderne Kunst, Nürnberg 2012, ISBN
978-3-86984-357-5, 440 Seiten, 40 Euro
Was macht das
Faszinierende am nackten Mann aus ? Ist ein nackter Mann überhaupt ein Faszinosum
? Irgendwie muss es schon so sein, denn der Ausstellungsband „Der nackte Mann“,
der eine bis zum 17. Februar 2013 im Linzer Lentos Kunstmuseum begleitet, zeigt
es auf eine eindrückliche Weise. Oder wie es im Katalog heisst: „Mehr als 300
Exponate … bilden zwölf Kapitel einer Schau, die in bislang ungesehener Weise
die Rolle des Männerkörpers über mehr als ein Jahrhundert hinweg untersucht.“
Die Ausstellung und
der Ausstellungskatalog „Der nackte Mann“ holen ein unsichtbares Thema aus dem
Versteck. Es ist die Nacktheit des Mannes, die auch in der Gegenwart durch die
Omnipräsenz der weiblichen Nackten sowie der weiblichen Erotik im Dunkel steht.
Dies ist nicht unbedingt nachvollziehbar, wenn man sich die zahlreichen
Fotografien und Kohlezeichnungen, die Ölbilder auf Leinwand und die Statuen
anschaut. Der mit den Exponaten dargestellten Nacktheit kann man nicht mit
Moralität und Abwehr begegnen. Dafür erscheinen die zahllosen künstlerischen
Werke allzu natürlich.
Der nackte Mann
gehört zum Leben. Diese Botschaft nimmt man nach der Lektüre des
Ausstellungskatalogs „Der nackte Mann“ bzw. nach dem aufmerksamen Anschauen der
Motive mit in den eigenen Alltag. In jenen Alltag, demgegenüber man sich
überlegt, was den Mann und seine Männlichkeit ausmacht. So sind die zahlreichen
Darstellungen unter dem Blickwinkel des Aktes und der Pose, der Herrschaft und
des Bizeps, des Alters und des Schmerzes von einer Natürlichkeit geprägt, mit
der man das Nacktsein des Mannes gerne akzeptiert.
Es erscheint
ungewohnt, dass beispielsweise der entblößte Penis die Blicke auf sich zieht.
Doch erlaubt im Kontext der Ausstellung „Der nackte Mann“ die bildende Kunst,
das vermeintliche Skandalon sachlich und emotionsarm anzuschauen. Sie glauben
es nicht. Dann wagen sie es doch, den „liegenden Akt“ des Guglielmo Lüschow aus
dem Jahre 1900 anzuschauen oder auch das Bild „Auf der Bergspitze“, das Istvan
Szonyi im Jahre 1925 mit Öl auf Leinwand geschaffen hat. Der nackte Mann, der
sich neben einem Freund mit nackten Oberkörper präsentiert, spricht schon seine
ganz eigene Sprache. Seinen ganz eigenen Charme hat der „männliche Akt“ der
Margarete Depner aus dem Jahr 1930. Der im Mittelpunkt hockende junge Mann
wirkt mit seinem Bloßsein auf seine Weise unschuldig.
Für
Nachdenklichkeit sorgen natürlich auch noch die ergänzenden Aufsätze. Sabine
Fellner bezeichnet den nackten Mann als Tabu. Christina von Braun schreibt über
„Nacktheit, Scham und Männlichkeit“. Peter Weiermair macht sich Gedanken zum
„homosexuellen Blick“ und äußert sich zum Thema: „Der männliche Akt im Bild als
Objekt des homosexuellen Verlangens.“ An einer Stelle heißt es: „Die
Geschlechterfrage als gesellschaftspolitisches Kernthema ist zentral für einen
Kunstbegriff, der Kunst als Medium zum Verständnis der Welt auffasst, Kunst als
Katalysator der Erfahrung individueller Lebensrealitäten, Kunst aber auch als
Mittel zur Erprobung sozialer Möglichkeiten.“ Mit der Ausstellung und dem
Katalog „Der nackte Mann“ sollte die gegenwärtige Gesellschaft die Gelegenheit
beim Schopfe packen und einmal auf das Ungewohnte schauen – den nackten Mann.
Der
Ausstellungskatalog und die Ausstellung „Der nackte Mann“ sucht nach dem
Alltäglichen des nackten Mannes, das im privaten Rahmen niemand leugnen würde.
Gönnen Sie sich die Gelegenheit, dies auch zu sehen.
Christoph Müller
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