Mittwoch, 20. Februar 2013

Die weibliche Brust - von Christoph Müller


„Plötzlich waren sie selbstverständlich …“

Die weibliche Brust näher betrachtet

Paula Lambert / Helmut Ziegler: Brüste – Das Buch, Verlag Rogner & Bernhard, Berlin 2012, ISBN 978-3-95403-007-1, 304 Seiten, 29.95 Euro.

Was macht denn die Faszination der weiblichen Brüste aus ? Wieso haben sie immer wieder etwas Spektakuläres und Sensationelles, etwas Skurriles und Wunderschönes ? Welche Rolle spielen sie denn eigentlich für naturistische Menschen ? Das Buch „Brüste“, das Paula Lambert und Helmut Ziegler miteinander geschrieben haben, wissen zwar nicht um jede Antwort. Doch es ist irgendwie eine Liebeserklärung an die weibliche Brust.

Diese Liebeserklärung gelingt ihnen auf vielfältige Art und Weise. In dem Kapitel „Das Wesen der Brüste“ versuchen sie einen wissenschaftlichen Blick auf die weibliche Brust. In diesem Zusammenhang gelingt es, an den Verhaltensforscher Desmond Morris zu erinnern, für den die Brust eine Nachahmung der Gesäßbacken gewesen sind. Sie erwähnen den Alltagssoziologen Jean-Claude Kaufmann, der sich mit dem Oben-ohne-Phänomen beschäftigt hat. Seine Studienergebnisse fassen sie in dem Gedanken zusammen: „Die natürliche Brust sei entweder hässlich oder ihre Offenbarung der Verrat eines wunderbaren Geheimnisses. Nichts Unerotischeres als die Oben-ohne-Parade am Strand, fasste der Soziologe bedrückt zusammen.“ (35)

Ob dem wirklich so ist, mag jeder naturistisch fühlende und denkende Mensch für sich entscheiden. Nichtsdestotrotz gibt die weibliche Brust viel Anlass, die Phantasie zu beflügeln. Es ist beispielsweise auch die Phantasie, wie die weibliche Brust denn zu verpacken sei. Deshalb nimmt das Thema der Dessous einen breiten Raum in dem Buch „Brüste“ ein. In diesem Zusammenhang berichten die Autoren auch davon, welche Rolle die Bekleidung der Brust sogar in politischen Diskussionen gespielt hat durch die Jahrzehnte und Jahrhunderte hindurch. „Die Macht der Masse“ heißt es im Abschnitt „Politik und Dessous“.
„Marien, Musen und Melonen“ ist das Kapitel überschrieben, in dem sich Lambert und Ziegler Gedanken zur weiblichen Brust in Kunst und Kultur machen. Es fallen Begrifflichkeiten von „erhaben“ und „verletzlich“, von „hitzig“ und „entspannt“, von „mütterlich“ und „umkämpft“. Das Fazit erscheint aber nachdenkenswert, da es kritisch auf die Gegenwart schaut: „Die Brüste der Kunst haben es schwer, sich visuell gegen die Allgegenwart ihrer medialen Konkurrenz zu behaupten.“ (156)

Dem Buch „Brüste“ tut es gut, dass es in keiner Weise dem Voyeurismus Tür und Tor öffnet. Es kommt als Kulturgeschichte der weiblichen Brust daher, die der sachlichen Darstellung verpflichtet bleibt. Das Buch „Brüste“ biedert sich nicht an die gängigen Darstellungsmuster zur weiblichen Brust an und kommt auf diese Weise auch nicht in Gefahr, dem Boulevard zugerechnet zu werden. Das Buch „Brüste“ versucht, die Geheimnisse um die weibliche Brust zu lüften, blickt darauf zurück, wie es beispielsweise in der Wissenschaft und der Kunst geschehen ist.

Und Paula Lambert selber beschreibt in einem persönlichen Ton die Geschichte mit der eigenen Brust. Sie berichtet von der Faszination und den Verwirrungen in der Jugendzeit. Sie erzählt davon, welche Wichtigkeit der Busen manchmal in ihrem Leben gehabt hat. Im Erwachsenenalter scheint es sich jedoch sehr relativiert zu haben: „Als ich erwachsen wurde, ich meine so richtig erwachsen mit eigener Wohnung und Haftpflichtversicherung, waren meine Brüste plötzlich selbstverständlich. Die ganze Aufregung hatte sich gelegt ….“ (18) Ein Gedanke der für die Freikörperkultur sicher auch gilt, oder?

Christoph Müller

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