„Plötzlich
waren sie selbstverständlich …“
Die weibliche
Brust näher betrachtet
Paula Lambert / Helmut Ziegler: Brüste – Das Buch, Verlag
Rogner & Bernhard, Berlin 2012, ISBN 978-3-95403-007-1, 304 Seiten, 29.95
Euro.
Was macht denn die
Faszination der weiblichen Brüste aus ? Wieso haben sie immer wieder etwas
Spektakuläres und Sensationelles, etwas Skurriles und Wunderschönes ? Welche
Rolle spielen sie denn eigentlich für naturistische Menschen ? Das Buch
„Brüste“, das Paula Lambert und Helmut Ziegler miteinander geschrieben haben,
wissen zwar nicht um jede Antwort. Doch es ist irgendwie eine Liebeserklärung
an die weibliche Brust.
Diese
Liebeserklärung gelingt ihnen auf vielfältige Art und Weise. In dem Kapitel
„Das Wesen der Brüste“ versuchen sie einen wissenschaftlichen Blick auf die
weibliche Brust. In diesem Zusammenhang gelingt es, an den Verhaltensforscher Desmond
Morris zu erinnern, für den die Brust eine Nachahmung der Gesäßbacken gewesen
sind. Sie erwähnen den Alltagssoziologen Jean-Claude Kaufmann, der sich mit dem
Oben-ohne-Phänomen beschäftigt hat. Seine Studienergebnisse fassen sie in dem
Gedanken zusammen: „Die natürliche Brust sei entweder hässlich oder ihre
Offenbarung der Verrat eines wunderbaren Geheimnisses. Nichts Unerotischeres
als die Oben-ohne-Parade am Strand, fasste der Soziologe bedrückt zusammen.“
(35)
Ob dem wirklich so
ist, mag jeder naturistisch fühlende und denkende Mensch für sich entscheiden.
Nichtsdestotrotz gibt die weibliche Brust viel Anlass, die Phantasie zu
beflügeln. Es ist beispielsweise auch die Phantasie, wie die weibliche Brust
denn zu verpacken sei. Deshalb nimmt das Thema der Dessous einen breiten Raum
in dem Buch „Brüste“ ein. In diesem Zusammenhang berichten die Autoren auch davon,
welche Rolle die Bekleidung der Brust sogar in politischen Diskussionen
gespielt hat durch die Jahrzehnte und Jahrhunderte hindurch. „Die Macht der
Masse“ heißt es im Abschnitt „Politik und Dessous“.
„Marien, Musen und
Melonen“ ist das Kapitel überschrieben, in dem sich Lambert und Ziegler
Gedanken zur weiblichen Brust in Kunst und Kultur machen. Es fallen
Begrifflichkeiten von „erhaben“ und „verletzlich“, von „hitzig“ und
„entspannt“, von „mütterlich“ und „umkämpft“. Das Fazit erscheint aber nachdenkenswert,
da es kritisch auf die Gegenwart schaut: „Die Brüste der Kunst haben es schwer,
sich visuell gegen die Allgegenwart ihrer medialen Konkurrenz zu behaupten.“
(156)
Dem Buch „Brüste“
tut es gut, dass es in keiner Weise dem Voyeurismus Tür und Tor öffnet. Es
kommt als Kulturgeschichte der weiblichen Brust daher, die der sachlichen
Darstellung verpflichtet bleibt. Das Buch „Brüste“ biedert sich nicht an die
gängigen Darstellungsmuster zur weiblichen Brust an und kommt auf diese Weise
auch nicht in Gefahr, dem Boulevard zugerechnet zu werden. Das Buch „Brüste“
versucht, die Geheimnisse um die weibliche Brust zu lüften, blickt darauf
zurück, wie es beispielsweise in der Wissenschaft und der Kunst geschehen ist.
Und Paula Lambert
selber beschreibt in einem persönlichen Ton die Geschichte mit der eigenen
Brust. Sie berichtet von der Faszination und den Verwirrungen in der
Jugendzeit. Sie erzählt davon, welche Wichtigkeit der Busen manchmal in ihrem
Leben gehabt hat. Im Erwachsenenalter scheint es sich jedoch sehr relativiert
zu haben: „Als ich erwachsen wurde, ich meine so richtig erwachsen mit eigener
Wohnung und Haftpflichtversicherung, waren meine Brüste plötzlich
selbstverständlich. Die ganze Aufregung hatte sich gelegt ….“ (18) Ein Gedanke
der für die Freikörperkultur sicher auch gilt, oder?
Christoph Müller
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